Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps – wo sind die Grenzen?

Beim außerdienstlichen Verhalten des Arbeitnehmers gilt es einige Dinge zu beachten

Wie haben sich Beschäftigte in ihrer Freizeit zu verhalten? Dürfen Unternehmen dem Arbeitnehmer dabei Vorgaben machen? Oder sind Freizeitaktivitäten allein Sache des Einzelnen?

Im Grundsatz sind Freizeitaktivitäten Sache des Arbeitnehmers, Ausnahmen gelten aber dann, wenn die Handlungen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben können.

Arbeitsverhältnis: Austausch von Leistung und Gegenleistung

Das Arbeitsverhältnis regelt den Austausch von Leistung (“Arbeiten”) und Gegenleistung (“Lohn zahlen”). Dies sind die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, aufgrund derer die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis eingehen. Zusätzlich gibt es im Arbeitsverhältnis aber auch Nebenpflichten: Jede Partei muss auf die Rechtsgüter der jeweils anderen Seite Rücksicht nehmen.

Genauso wie der Arbeitgeber seine Beschäftigten etwa nicht an defekten Maschinen arbeiten lassen darf, schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Mindestmaß an Treue. Auch im Arbeitsverhältnis steht dem Arbeitnehmer daher im Grundsatz seine Meinungsäußerungsfreiheit zu: Danach ist selbst öffentliche Kritik am Arbeitgeber erlaubt, diese muss aber maßvoll erfolgen. Die Pflicht zur Loyalität steigt zudem mit der Position: Eine Prokuristin ist stärker zur Rücksichtnahme verpflichtet als der Pförtner.

Freizeitgestaltung: Im Grundsatz Sache des Arbeitnehmers

Wie ein Arbeitnehmer seine Freizeit gestaltet, ist jedoch seine Sache. Der Arbeitnehmer schuldet keine „redliche“ oder „tadellose“ Lebensführung. In dessen Privatleben darf der Arbeitgeber nicht durch betriebliche Vorgaben „hineinregieren.“ Selbst das Begehen von Straftaten durch den Arbeitnehmer in seiner Freizeit hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren. Für das Arbeitsverhältnis dürfen hieraus im Grundsatz keine Konsequenzen folgen, auch wenn das Verhalten natürlich strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Ausnahme: Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis können zur Kündigung führen

Hiervon gibt es aber eine wichtige Ausnahme: Gibt es Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, darf der Arbeitgeber selbstverständlich handeln. In der Rechtsprechung sind hierzu folgende Fälle entschieden worden:

• Einer Busfahrerin, die volltrunken in der Freizeit Auto fährt, ihren Führschein verliert und dann nicht mehr die berufliche Tätigkeit ausüben kann, droht die Kündigung (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 3.7.14, Az.: 5 Sa 27/14)

• Der Bahnschaffner, der in seiner Dienstuniform ausländerfeindliche Parolen grölt oder in sozialen Medien mit einem Foto in Dienstuniform oder unter Nennung seines Arbeitgebers im Profil volksverhetzende Äußerungen tätigt, riskiert ganz schnell seinen Job (LAG Sachsen v. 27.2.18, Az.: 1 Sa 515/17)

• Der Mitarbeiter, der auf dem Betriebsgelände Betäubungsmittel verkauft und dealt, kann gekündigt werden (LAG Berlin-Brandenburg v. 31.3.21, Az.: 23 Sa 1381/20)

• Der Lehrer im öffentlichen Dienst, der sich wiederholt ablehnend gegenüber der Demokratie äußert und gegen den Staat hetzt, wird arbeitsrechtliche Konsequenzen erfahren (ArbG Berlin v. 16.1.19, Az.: 60 Ca 7170/18)

• Der Manager, der auf der betrieblichen Weihnachtsfeier Kolleginnen sexuell belästigt, muss ebenfalls mit einer Kündigung rechnen (ArbG Berlin v. 27.1.12, Az.: 28 BV 17992/11)

Keine Ahndung ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis

Fehlt es an einem solchen “Bezug” zum Arbeitsverhältnis, geht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten aber regelmäßig den Interessen des Arbeitgebers vor. Das findet seine Grenze erst dann, wenn das außerdienstliche Verhalten die Eignung für den Job entfallen lässt.

Ansonsten gilt: „Peinliche Partyfotos, die im Betrieb kursieren, die Teilnahme an Fan-Krawallen oder am Dschungel-Camp mögen zwar für die Karriere nicht förderlich sein — einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag stellen sie jedoch nicht da.

Die Volksweisheit „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ gilt daher tatsächlich in den meisten Fällen