FMI: Ausbildung 4.0
Drehteilehersteller zwischen Tradition und TikTok
Die Nachwuchsgewinnung hat sich zu einer großen Herausforderung für Industrieunternehmen entwickelt – das gilt auch für die Mitglieder des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie. Diese erarbeiten Strategien, um junge Menschen für Lehrstellen zu begeistern.
Für die Unternehmen der Drehteile-Industrie steht in diesem Jahr Stabilisierung auf der Agenda. Um das zu erreichen, brauchen die Hersteller von Präzisionsdrehteilen nicht nur erfahrene Fachkräfte, sondern auch motivierte junge Mitarbeiter. Diese sind leider schwer zu finden – das Interesse an einer Ausbildung ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, viele streben stattdessen ein Studium an. Und besonders technische Berufe wie Zerspanungsmechaniker stehen bei immer weniger Jugendlichen im Fokus, obwohl sie solide Perspektiven und gute Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Unterstützung bei der Nachwuchssuche leistet der Verband der Deutschen Drehteile-Industrie: „Wir setzen bei allen Themen auf Austausch und auf gemeinsame Aktionen“, erzählt Verbandsgeschäftsführer Werner Liebmann. „In kurzen Videos wird der Beruf des Zerspanungsmechanikers praxisnah erklärt. Damit stellen wir den Unternehmen ein neues Instrument für die Personalsuche zur Verfügung.“
Investition in die Zukunft
Während manche Verbandsmitglieder über Nachwuchs-Mangel klagen, haben andere alle Ausbildungsplätze voll belegt. Woran liegt das? Erfolgreich sind die Betriebe, die die Suche trotz des hohen Aufwands nicht aufgeben und dafür auch aktiv Marketing betreiben. Anja Peplinski, Geschäftsführerin der Feindreh GmbH, erklärt: „Unsere Fachkräfte selbst auszubilden, ist für uns enorm wichtig. Das ist eine zentrale Maßnahme, um unseren zukünftigen Personalbedarf aus den eigenen Reihen zu decken.“ Auch Simon Heil, Geschäftsführer der Firma Grieshaber, weiß: „Aus- und Weiterbildung ist die erfolgversprechendste und nachhaltigste Form, in die Zukunft zu investieren.“ Die Heinrichs & Co. KG verfolgt ebenfalls ein klares Ziel: „Unser Konzept sieht vor, dass wir ausschließlich mit Fachkräften arbeiten und die Ausbildung vollständig bei uns im Betrieb stattfindet. Dieses Engagement hat bei uns einen hohen Stellenwert“, betont Geschäftsführerin Kathrin Heinrichs.
Vielfältige Ansprache
Die Drehteilehersteller nutzen verschiedene Kanäle: von klassischen Online-Jobbörsen über Social Media bis hin zu Kino- oder Plakatwerbung. „Die Zusammenarbeit mit den lokalen Schulen ist unsere wertvollste Möglichkeit zur Azubiwerbung“, erklärt Julius Klinke. Er bietet Firmenbesuche, Praktika oder Technik-Projekte an, bei denen die Schüler schon eine erste Vorstellung von einer späteren Ausbildung bekommen. Der Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens macht gute Erfahrungen mit einem 60-Sekunden-Bewerbungsverfahren auf Social Media. Auch Volkmar Sauer von SUSA S. Sauer kann die Schüler über Praktika, Ferienjobs, Messen oder sogar Unterrichtsstunden für eine Ausbildung begeistern.
Für Anja Peplinski sind Azubi-Messen in der näheren Umgebung das bisher erfolgreichste Instrument. „Dort haben wir eine Carrera-Bahn aufgebaut, mit der wir die Jugendlichen spielerisch an die Technik heranführen – denn auch in den Modellautos werden Drehteile verbaut. In lockerer Atmosphäre geben wir ihnen ein Gefühl für die kollegiale Zusammenarbeit in einem Familienbetrieb.“ Bei Heinrichs sind Messen und Schulkooperationen ebenfalls die richtigen Foren, zudem nutzt das Unternehmen Facebook, Instagram und sogar Zeitschriften, um die jungen Menschen anzusprechen. Als weitere Möglichkeit nennt Simon Heil Kooperationen, Projekte und Sponsoring mit Jugendabteilungen von Vereinen.
Überzeugende Argumente
Um Nachwuchskräfte zu gewinnen, setzen die Betriebe auf klare Botschaften wie Sicherheit, Entwicklungsperspektiven und ein gutes Arbeitsumfeld. Die Mitgliedsunternehmen des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie machen deutlich, worauf es ankommt. „Mit einer Ausbildung wird vom ersten Tag an gutes Geld verdient“, betont Geschäftsführer Volkmar Sauer. Gerade im gewerblich-technischen Bereich sichere der Abschluss eine stabile berufliche Zukunft: „Als Facharbeiter hat man einen krisen- und zukunftssicheren Job“, ergänzt Julius Klinke. Kathrin Heinrichs berichtet: „Die Kombination aus moderner Technik, präzisen Maschinen und einem guten Betriebsklima überzeugt. Auch der Spaß an der Praxis ist für viele ein entscheidender Faktor.“
Persönliche Betreuung, flache Hierarchien und enge Teamarbeit sind in den meisten Betrieben alltägliche Realität. Anja Peplinski fördert gezielt Mentoring durch erfahrene Mitarbeiter und direkte Ansprechpartner. Auch Julius Klinke bestätigt: „Bei uns wird der Begriff Familienunternehmen gelebt. Wir stehen in engem Kontakt und hören einander zu.“
Ob Weiterbildung zum Techniker, Meister oder ein Duales Studium – viele Unternehmen bieten ihren Auszubildenden eine Übernahmegarantie bei guter Leistung und übertragen sukzessive Verantwortung nach dem Motto „nicht nur fordern, sondern auch fördern“. Simon Heil erläutert: „Unsere Mitarbeiter haben unterschiedliche Möglichkeiten – von fachlichen Weiterbildungen über Persönlichkeitsanalysen bis hin zur mehrjährigen Entwicklungsplanung.“ Er sieht die Ausbildung als Fundament für die weitere Karriere. „In unserem Bildungssystem stehen dann alle Türen offen.“
Fazit
Die Drehteilehersteller investieren gezielt in die Ausbildung junger Menschen – nicht nur aus Notwendigkeit, sondern aus Überzeugung und mit Blick in die Zukunft. Sie setzen auf einen Mix aus Schulkooperationen, direkter Ansprache, digitalen Formaten und persönlicher Betreuung. Als Arbeitgeber bieten sie klare Entwicklungsperspektiven und ein familiäres Umfeld, das Verlässlichkeit, Praxisnähe und Teamarbeit im Fokus hat. Gleichzeitig fordern sie bessere Rahmenbedingungen: mehr Berufsorientierung in Schulen, stärkere gesellschaftliche Anerkennung gewerblicher Berufe und weniger Bürokratie bei Förderprogrammen. „Um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen, ist ein mentaler Wandel erforderlich“, fasst Werner Liebmann zusammen. „Weg vom einseitigen Fokus auf akademische Abschlüsse, hin zur Wertschätzung praxisorientierter Ausbildung und beruflicher Vielfalt.“