Kein Lohn bei coronabedingter Schließung

Arbeitgeber tragen nicht das Betriebsrisiko bei behördlicher Schließung

Kein Lohn ohne Arbeit, so lautet eine Grundregel des Arbeitsrechts. Kann der Arbeitnehmer aber aufgrund einer behördlichen Schließungsanordnung nicht beschäftigt werden, erhält er damit nicht sein Gehalt. Das unternehmerische Risiko trägt in Fällen landesweiter pandemiebedingter Schließungsanordnungen nicht der Arbeitgeber, so urteilte das Bundesarbeitsgericht.

Im Zusammenhang mit der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 mussten viele Unternehmen infolge behördlicher Anordnungen schließen und durften ihre Geschäftsräume nicht für den Publikumsverkehr öffnen. Viele Arbeitnehmer konnten daraufhin nicht beschäftigt werden.

„Grundsätzlich behält ein Arbeitnehmer in einer solchen Situation seinen Lohnanspruch“, so Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott unter Verweis auf die gesetzliche Regelung in § 615 S. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es gelte zwar der Grundsatz: Ohne Arbeit, kein Lohn. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer arbeitsfähig und -willig sei, werde diese Regel aber aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durchbrochen: „Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Betriebsrisiko. Damit ist er dafür verantwortlich, dass er seinen Beschäftigten einen Arbeitsplatz und Arbeit zur Verfügung stellt. Kann er dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht, muss er dennoch den Lohn weiterzahlen“, so Fuhlrott. „Dahinter steckt der Gedanke, dass der Arbeitgeber den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Betrieb zieht. Er gestaltet die Abläufe nach seinen Vorgaben. Als Kehrseite davon trägt er dann auch das wirtschaftliche Risiko des erfolgreichen Betriebs“, so Fuhlrott weiter.

Erster Fall zur Vergütungspflicht vor dem Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 13.10.2021, Az.: 5 AZR 211/21) entschied, dass dieser Grundsatz nicht in Fällen landes- bzw. bundesweit verhängter Schließungsanordnungen gelte.

Anlass der Befassung war die Klage einer Arbeitnehmerin, die einer Filiale eines Nähmaschinenhandels im niedersächsischen Verden als geringfügige Beschäftigte auf EUR 450-Basis („Minijobberin“) tätig war. Während für ihre sozialversicherungspflichtig beschäftigten Kolleginnen und Kollegen Kurzarbeit eingeführt wurde und diese staatliche Lohnersatzleistungen erhielten, wurde die klagende Arbeitnehmerin unbezahlt freigestellt.

„Die Einführung von Kurzarbeit ist nur möglich, wenn es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Geringfügig Beschäftigte erfüllen daher nicht die persönlichen Voraussetzungen der Kurzarbeit“, erläutert Arbeitsrechtler Fuhlrott.

Die Arbeitnehmerin klagte daher ihren Lohn für April 2020 ein. Das erstinstanzlich mit der Sache befasste Arbeitsgericht Verden und das Landesarbeitsgericht Hannover als Berufungsinstanz hatten der Arbeitnehmerin Recht gegeben. Sie verurteilten den Arbeitgeber zur Zahlung.

Bundesarbeitsgericht: Allgemeine Grundsätze gelten nicht

Der Arbeitgeber wandte sich daraufhin an das Bundesarbeitsgericht. Er machte geltend, dass es sich bei landesweiten Corona-Schließungen nicht um sein persönliches Wirtschaftsrisiko handele. Vielmehr handele es sich dabei um die Folge einer allgemein-behördlichen Anweisung zur Schließung nicht lebensnotwendiger Bereiche des Wirtschaftslebens mit dem Ziel der allgemeinen Infektionsschutzbekämpfung. Daher müsse von der gesetzlichen Regelung in Fällen wie diesen eine Ausnahme gemacht werden.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Dem Arbeitnehmer stehe kein Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Denn der Arbeitgeber trage nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren Krankheitsverläufen durch behördliche Anordnung nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen würden. In einem solchen Fall realisiere sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich zu sorgen.