Kein Arbeitszeugnis in Form eines Schulzeugnisses

Die besonderen Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses müssen zum Ausdruck kommen

Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers regelmäßig nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt.

Ein Arbeitgeber hatte dem Kläger nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis erteilt, das die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers in einer Tabelle wie in einem Schulzeugnis und mit Schulnoten bewertete.

Das BAG stellt fest, dass der Arbeitgeber mit der Erteilung dieses Zeugnisses den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses nicht erfüllt hat und der Kläger weiterhin Anspruch auf ein korrektes Arbeitszeugnis hat. Denn eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach „Schulnoten“ genügt nicht den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses.

Ein Arbeitszeugnis als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit eines Arbeitnehmers muss den Zeugnisleser Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeit, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist hierbei insbesondere auch ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen.

Ein Arbeitszeugnis, das eine Vielzahl von Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufführt und mit „Schulnoten“ bewertet, genügt nach diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) den Erwartungen eines Zeugnislesers nicht, weil die prägenden Merkmale im Kontext der üblichen Bewertungskriterien ihre Bedeutung verlieren und die gebotene Individualisierung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung eines Arbeitnehmers nicht erreicht wird.

Individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen lassen sich deshalb regelmäßig nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis herausstellen, so dass die besonderen Nuancen des beendeten Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck kommen und damit den Zeugniszweck als aussagekräftige Bewerbungsunterlage in Bezug auf die konkret beurteilte Person erfüllt.

Auf Basis dieser Rechtsprechung des BAG müssen Arbeitgeber sich stets die Mühe machen, ein individuell ausformuliertes Zeugnis zu erstellen, eine Beurteilung nach Stichworten und „nach Schulnoten“ ist unzulässig.

Arbeitnehmern sollten solche Zeugnisse auch nicht zu akzeptieren, sondern ihren Anspruch auf Erteilung eines korrekten Zeugnisses geltend zu machen und gegebenenfalls auch durchsetzen.