Revolution im Recycling
Hochschule Ansbach erforscht innovative Laserentschichtung für Hybridbauteile
Im Kunststoffverarbeitungslabor der Hochschule Ansbach wird an einer effizienten Trennung von Lack und Hybridbauteilen geforscht – eine Schlüsseltechnologie für nachhaltiges Recycling. Der Vergleich verschiedener Verfahren zeigt: Die Laserentschichtung ist präzise, wirtschaftlich und umweltfreundlich. Eine neue Hightech-Laseranlage kann selbst große, komplexe 3D-Bauteile effizient bearbeiten. Das Prinzip ist ebenso einfach wie genial: Der Lack wird per Laser gelöst und lässt sich wie eine Folie abziehen – rückstandsfrei und ohne Schadstoffe. Eine Innovation mit großem Potenzial für die Kreislaufwirtschaft.
Die Hochschule Ansbach zählt zu den beliebtesten Deutschlands und wurde bei den StudyCheck Awards 2025 erneut ausgezeichnet. Rund 4.000 Studierende sind in 19 Bachelor- und 17 Master-Studiengängen eingeschrieben. Die Hochschule vereint drei Fakultäten – Wirtschaft, Technik und Medien – und bietet mit modernen Laboren sowie einer leistungsfähigen Infrastruktur optimale Bedingungen für Lehre und Forschung.
Forschungsschwerpunkt: Recycling von Hybridbauteilen
Prof. Dr.-Ing. Alexandru Sover und M.Eng. Markus Zink sind in der Lehre und Forschung im Bereich der Materialkunde tätig, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Kunststofftechnik, deren Verarbeitung und Prüfung. Das Kunststoffbearbeitungslabor der Fakultät Technik ist hervorragend ausgestattet und bietet eine breite Palette an Anlagen – von Kunststoffextrudern über Tiefziehgeräte, 3D-Drucker, Schredder und Compounder bis hin zu verschiedenen Analysegeräten zur Charakterisierung von Kunststoffen (u. a. DSC, DMA) sowie Testgeräten zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften. Studierenden steht das Labor im Rahmen ihrer Praktika und Abschlussarbeiten zur Verfügung. Anfang des Jahres wurde es zudem um eine hochmoderne Laseranlage erweitert.
Das Forschungslabor arbeitet mit Industrie- und Forschungspartnern zusammen und untersucht unter anderem anwendungsorientierte Probleme wie Materialkontaminationen. Prof. Dr.-Ing. Sover erklärt dazu: „Die Fragen, die uns Industriepartner stellen, betreffen die Produktion im Zusammenhang mit Kunststoffen und deren Prozessen. Wir führen in unserem Labor umfangreiche Untersuchungen und Forschungsprojekte durch und unterstützen bei der Suche nach Ursachen und Lösungen.“ Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Materialcharakterisierung und dem Recycling von Kunststoffen.
Werkstoffgerechtes Recycling
Das Recycling von Kunststoffen erfordert eine hohe Reinheit der Grundmaterialien. Kunststoffbauteile und der Lack bestehen zwar beide aus Kunststoffen, sind jedoch völlig unterschiedlich. Während das Trägermaterial in der Regel aus Thermoplast besteht und gut recycelt werden kann, ist der Lack ein Duroplast, der einem anderen Recyclingprozess zugeführt werden muss.
Der Lack wird einerseits zum Schutz der Produkte eingesetzt und andererseits zur Verbesserung der Optik. Sehr große Mengen lackierter Produkte müssen am Ende ihres Lebenszyklus recycelt werden, und die Zahl der lackierten Produkte steigt stetig. Hersteller und Recyclingunternehmen stehen vor großen Herausforderungen, da es noch keine Technologie gibt, die das Trennen von Hybridbauteilen effizient und umweltverträglich ermöglicht.
Vergleich verschiedener Entschichtungsverfahren
Das Forschungslabor führte Versuche mit verschiedenen Technologien zur Entschichtung durch. Untersucht wurden Verfahren wie die chemische Entschichtung, abrasives Entschichten mit Strahlmitteln wie Trockeneis, Sand oder Glasperlen, Entschichtung mit Wasserhochdruck sowie der Einsatz von Lasertechnologie.
Chemische Entschichtung: Ein Standardverfahren, das relativ kostengünstig ist, jedoch viele Nachteile hat. Mitarbeiter sind toxischen Stoffen ausgesetzt, und es entstehen umweltgefährdende Dämpfe sowie problematische Logistik- und Entsorgungsprozesse.
Abrasive Verfahren: Hierbei müssen Strahlmittel wie Sand oder Glasperlen als Sondermüll entsorgt werden, und es besteht das Risiko, dass das Grundmaterial beschädigt wird.
Laserentschichtung: Die Untersuchungen mit dem Laser zeigten vielversprechende Ergebnisse. Das Verfahren ist effizient, nachhaltig und vermeidet gesundheitliche Risiken.
Die Entschichtung mit Wasserhochdruck hat sich von Beginn an als schwer durchführbar erwiesen. Besonders die beschichteten Bauteile in der Automobilindustrie werden auf alltägliche Belastungen wie Hochgeschwindigkeitsfahrten und die regelmäßige Nutzung von Waschanlagen getestet und entsprechend optimiert. Der Lack soll dabei einen effektiven Schutz bieten und sich nicht ablösen.
Die Vorteile der Laserentschichtung
Prof. Dr.-Ing. Sover hat bereits in der Vergangenheit Erfahrungen mit der Laserbearbeitung von Kunststoffen gesammelt. Er lobt die einfache Handhabung, die Effektivität und die nachhaltige Bearbeitung.
„Was braucht der Laser? Die Laser- und die Filteranlage benötigen Strom. Das war’s“, erzählt Prof. Dr.-Ing. Sover. Es wurden sehr positive Ergebnisse mit einem bereits vorhandenen Laser im Labor erzielt.
In einem Forschungsprojekt wurden die Untersuchungen ausgeweitet und unterschiedlichste Materialien mit verschiedenen Lacktypen getestet. Dies führte zu belastbaren Ergebnissen, und die positiven Resultate weckten das Interesse in der Wirtschaft, wodurch neue Kooperationen entstanden.
Neue Herausforderungen in der Recyclingindustrie
„Das Interesse war sehr groß. Wir erhielten viele Bauteile in unterschiedlichen Größen sowie mit ausgeprägten dreidimensionalen Geometrien und stark gewölbten Oberflächen, wie zum Beispiel Stoßstangen und Spoiler.“
Von Prof. Dr.-Ing. Sover und M.Eng. Zink wurde neben dem Recycling von Hybridbauteilen ein weiterer Bedarf identifiziert:
In der Automobilindustrie werden viele lackierte Bauteile bereits bei einem kleinsten Defekt der Lackschicht zur Ausschussware (bis zu 15 %). Die Anforderungen an Sichtbauteile wie Stoßfänger und Spoiler sind in der Automobilindustrie extrem hoch. Die Herstellung dieser hybriden Bauteile ist oft sehr aufwändig und teuer, wobei die Lackschicht nur etwa 2 % vom Gesamtgewicht des Hybridbauteils ausmacht.
„Wenn der Kunde ein Auto für einen fünfstelligen oder sechsstelligen Betrag entgegennimmt, muss es perfekt sein. Ein Staubkorn unter der Lackschicht eines Stoßfängers bedeutet Ausschuss“, so Prof. Dr.-Ing. Sover.
Eine Entschichtung mit dem Laser und eine anschließende erneute Lackierung könnte hier wirtschaftlich sinnvoll sein.
Hohe Anforderungen an die neue Laseranlage
Das bisherige Lasersystem im Labor war für die Bearbeitung großer dreidimensionaler Bauteile nicht geeignet. Der Bauraum war begrenzt, und der Nachteil, dass nur flache Teile entschichtet werden konnten, machte die Anschaffung eines neuen Lasersystems notwendig.
Die neue Laseranlage soll in der Lage sein, große und sehr große Bauteile sowie dreidimensionale Bauteile wie Außenspiegelabdeckungen, Stoßfänger, Spoiler und ähnliche Komponenten zu bearbeiten. Zudem muss die Leistung ausreichend hoch sein, um dem wirtschaftlichen Aspekt gerecht werden zu können.
Die Recherche nach einem passenden Partner erfolgte sowohl im Internet als auch auf Messen. Es wurden mehrere Hersteller kontaktiert, bevor die Wahl auf ein flexibles und offenes Lasersystem fiel, das die gestellten Anforderungen erfüllte. Das System ermöglicht die nahtlose Bearbeitung sehr großer Flächen und ist zudem für Freiform- und 3D-Oberflächen geeignet – ohne manuelle Achsverstellung. Eine automatische Fokusinterpolation kompensiert Höhendifferenzen und sorgt für einen präzisen Laserfokus auf der Bauteiloberfläche.
Einfach und genial
Die neue Anlage wurde im Januar 2025 nach einer eintägigen Schulung in Betrieb genommen. Der Prozess ist einfach wie genial: Der Lack wird mit dem Laser vom Träger getrennt und kann anschließend wie eine Folie abgenommen werden. Es werden keine Zusatzmittel benötigt, und der Prozess ist in vielen Fällen sehr schnell und effizient. Da der Lack hierbei nicht verbrannt wird, ist die Schadstoffbelastung nahezu null. Professor Sover erklärt: „In der Lackiertechnik werden zunehmend moderne und widerstandsfähige Lacksysteme eingesetzt. Dies führt dazu, dass es lackierte Produkte gibt, die sich mit Lasertechnologie nur schwer oder kaum entlacken lassen.“ Dennoch konnten bereits zahlreiche Lacksysteme auf unterschiedlichen Trägermaterialien erfolgreich getestet werden.
Die 3D-Bearbeitung von Bauteilen mit dem Laser ist neu im Labor, und das Team arbeitet derzeit an der Optimierung des Prozesses. Prof. Dr.-Ing. Sover erklärt hierzu: „Wir möchten den gesamten Entlackungsprozess abbilden: von der Vorbereitung des Bauteils über den anschließenden Abtrag mit dem Laser bis hin zu den entsprechenden Luftfiltersystemen und Reinigung der entlackten Bauteile.“
Die Kunststoffhersteller sind in der Pflicht, ihre Produkte zu recyceln und fachgerecht zu entsorgen, was sie vor neue Herausforderungen stellt. Ein weiterer Aspekt ist, die Hersteller von Anfang an in die Entwicklung von Lacken einzubeziehen, die für den Recyclingprozess von Hybridbauteilen geeignet sind.
„Aktuell ist es so, dass die Hersteller mit fertigen Produkten und Bauteilen an uns herantreten, und wir eine Lösung für das Recycling und das Trennen der Materialien entwickeln. Wir möchten die Industrie für das Recycling sensibilisieren. Wir sind bereits mit einigen Herstellern in Gesprächen über die Entwicklung neuer Lacke, die das Recycling von Anfang an berücksichtigen“, so Prof. Dr.-Ing. Sover.
Die Zukunft der Laserentschichtung
Ein weiterer Vorteil der Laserentschichtung, laut Prof. Dr.-Ing. Sover, ist, dass sich die Laseranlagen einfach automatisieren lassen. Die Integration in bestehende Produktionsprozesse kann somit sehr einfach umgesetzt werden.
Der Prozess ist zukunftsfähig, wobei die Wirtschaftlichkeit im Zentrum steht.
Erste Anfragen aus unterschiedlichsten Branchen für dieses Thema hat das Team bereits erreicht – sei es aus der Automobilindustrie, der Luftfahrtbranche oder auch der Haushalts- und Möbelindustrie, die immer mehr lackierte Bauteile produziert.
Prof. Dr.-Ing. Sover fasst zusammen: „Wir wollen wissenschaftlich vorankommen. Die Ideen sind universell einsetzbar, was hybride Bauteile betrifft. Wir sind zuversichtlich, diesen Prozess in die Industrie zu bringen und die Recyclingeffizienz deutlich zu verbessern.“
Hochschule für angewandte Wissenschaften Ansbach
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