Die Investoren ziehen immer weiter

„Ausverkauf“ des Gesundheitswesens an Investoren

Dr. Hontschik

Dr. Hontschik

Investoren mischen immer mehr in der ambulanten Versorgung mit. Auf lange Sicht vermutlich mit drastischen Folgen, befürchtet Dr. Hontschik.

Während auf der lauten Bühne der Schlagzeilen und Talkshows heftiger Streit um die Zukunft unserer Krankenhäuser (https://www.aerztezeitung.de/Kongresse/Angst-vor-eiskaltem-Strukturwandel-DKG-dringt-auf-Vorschaltgesetz-440254.html) tobt, spielen sich hinter der Bühne heimlich still und leise die eigentlichen dramatischen Veränderungen ab, die unser Gesundheitswesen zerstören dürften. Hier spielen nicht Bundes- und Landesminister, nicht Verbandsfunktionäre und sogenannte Gesundheitsökonomen die Hauptrolle, sondern Investoren.

Laut Wikipedia ist ein Investor „ein Wirtschaftssubjekt, das auf dem Finanz-, Immobilien- oder Rohstoffmarkt ein Finanzprodukt bzw. andere Wirtschaftsobjekte zum Zwecke der Vermögensmehrung nachfragt“.

Diese Definition mutet recht veraltet an, denn Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sind ja weder auf dem Finanznoch auf dem Immobilien- noch auf dem Rohstoffmarkt tätig. Seit unser Gesundheitswesen aber Schritt für Schritt zu einer Gesundheitswirtschaft umgebaut worden ist, haben international tätige Investoren diesen Wirtschaftszweig längst als ein lukratives Spielfeld zur „Vermögensvermehrung“ entdeckt.

Erst die Klinik, dann MVZ, später Konzern

Der Berliner Verein „Finanzwende“ hat jüngst am Beispiel von Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren beleuchtet (https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Finanzwende-Investoren-hoehlen-MVZEigenkapitalbasis-aus-439328.html), mit welchen Methoden man in der Gesundheitswirtschaft exorbitante Renditen generieren kann.

Zunächst kaufen Investoren ein Krankenhaus, egal wo und welches. Es gibt genügend insolvente Krankenhäuser auf dem Markt, wie man jeden Tag in der Zeitung lesen kann. Jeder und jede kann hierzulande ein Krankenhaus kaufen, da gibt es keine Einschränkungen.

Der Besitz eines Krankenhauses oder einer vergleichbaren Gesundheitseinrichtung ist laut Gesetz für Nicht-Ärzte Voraussetzung dafür, um nun im ambulanten Bereich tätig werden zu können. Im nächsten Schritt kaufen oder gründen die Investoren ein Medizinisches Versorgungszentrum, um unter diesem Dach immer weitere Arztpraxen aufzukaufen.

Im Handumdrehen entsteht auf diese Weise ein Praxiskonzern. Der Praxiskonzern kann von vornherein auf lukrative Medizinbereiche abgestellt werden, beispielsweise auf operative Augenheilkunde oder Orthopädie, positiver Cashflow garantiert.

Gewinne durch medizinische Tätigkeiten sind aber nur ein Nebenprodukt. Der eigentliche Gewinn entsteht dadurch, dass immer mehr Schulden aufgenommen werden, um immer mehr Praxen aufzukaufen. Dadurch sinkt das Eigenkapital dieses immer größeren Unternehmens ständig, umgekehrt steigt dadurch die Eigenkapitalrendite immer weiter. Nachdem man eine Zeit lang möglichst wenig Eigenkapital investiert und möglichst viel Geld abgeschöpft hat, folgt am Ende der entscheidende gewinnbringende Schritt: Der ganze Konzern wird an den nächstgrößeren Investor weiterverkauft.

Solche Investoren haben weder mit Deutschland noch mit Gesundheit irgendetwas am Hut, sondern nur mit Geld und immer wieder Geld. Zu der hohen Eigenkapitalrendite addiert sich, dass sie ihren Sitz zumeist in Steueroasen haben. Auf diese Weise kommt man in dem an sich völlig unterfinanzierten Gesundheitswesen zu Renditen von fünfzehn bis zwanzig Prozent.

Dann stehen die Kranken auf der Straße

Ein konkreter Fall: Eine Mini-Klinik kaufte in kurzer Zeit 125 Augenarzt-MVZ in ganz Deutschland. Alsbald entstand ein augenärztlicher Konzern, die Ober-Scharrer-Gruppe.

Sie hatte in der Folge nacheinander vier verschiedene Eigentümer: 2011 die Londoner Private-Equity-Gesellschaft Palamon Capital Partners, 2018 dann den schwedischen Nordic Capital Fund, und ab 2021 gehörten sie zu Veonet, einem augenärztlichen Leistungsanbieter in Deutschland, der Schweiz, Spanien, Holland und Großbritannien mit etwa 250 Augenarztzentren. Veonet wurde zuletzt im Dezember 2021 an den kanadischen Pensionsfonds Ontario Teacher’s Pension Plan Board bei einer Gewinnerwartung von 125 Millionen Euro für geschätzte zwei Milliarden Euro verkauft.

Geht ein solches Spiel unendlich weiter? Natürlich nicht. Schaut man nach Großbritannien, wo dieses Monopoly schon sehr viel länger gespielt wird, dann sieht man, dass solche Ketten – wie alle Schneeballsysteme – irgendwann pleite gehen. Mit anderen Worten: Der Praxiskonzern wird früher oder später insolvent, die Arztpraxen gibt es dann nicht mehr, die Kranken stehen auf der Straße. Die Investoren aber ziehen weiter.