Drastische Mauterhöhung belastet die Stahllogistik

„Wir wollen nicht über den ‚Maut Everest‘ geschickt werden“

Marcel Hergarten, Geschäftsführer der Hergarten GmbH

Marcel Hergarten, Geschäftsführer der Hergarten GmbH

Eine zusätzliche CO2-Abgabe hat die Mautgebühren für Lkw ab Dezember 2023 nahezu verdoppelt. Speditionen müssen die Mehrkosten an ihre Kunden weitergeben, um selbst einigermaßen profitabel zu bleiben. Für die Stahlindustrie fällt die Erhöhung besonders hart aus, weil es kaum spezialisierte Transportunternehmen gibt und als Folge eine weitere Verknappung droht.

Marcel Hergarten redet nicht lang um das Thema herum. In einem Serienbrief an seine Kunden schreibt der Geschäftsführer der Hergarten GmbH, dass er die Mauterhöhung zum 1. Dezember 2023 zu hundert Prozent an seine Auftraggeber weitergeben wird. Das Unternehmen mit Sitz in Köln ist als Spezialist für Logistik, Transport und Lagerung von Stahlstückgut in einem schwierigen Markt unterwegs und arbeitet seit vielen Jahren mit der Günther + Schramm GmbH, einem Systemdienstleister für Stahl, Edelstahl und Aluminium, zusammen. „Wir haben knappe Ressourcen, Kostensteigerungen in vielen Bereichen und jetzt kommt die Mauterhöhung obendrauf“, so Hergarten. „Wenn der Kunde die Zuschlagsgebühr nicht übernehmen will oder kann, ist eine weitere Zusammenarbeit kaum möglich.“

Wie hoch die Mehrbelastung konkret ist, macht Hergarten am Beispiel eines Euro-6-Lkw mit fünf Achsen und einem zulässigen Gesamtgewicht über 18 Tonnen fest. Liegt der Mautsatz derzeit noch bei 19 Cent/km, so kommt ab Dezember der sogenannte CO2-Aufschlag dazu, der bei diesem Fahrzeug bei 15,8 Cent/km liegt. Die Summe beträgt dann 34,8 Cent/km, was einer Steigerung von 83,2 Prozent entspricht. So etwas hat es in der Geschichte der Maut noch nicht gegeben. Hergarten wird die Mehrbelastung als Zuschlagsgebühr in den Frachtvereinbarungen ausweisen und abrechnen. „Nur so können wir die Wirtschaftlichkeit unserer Transporte gewährleisten“, versichert Hergarten. „Über das Thema müssen wir mit den Kunden offen und ehrlich sprechen, es geht nicht anders.“

Wie sich die zusätzliche CO2-Abgabe am Ende auf die Transportkosten auswirkt, ist ein einfacher Dreisatz. Derzeit macht die Maut rund zehn Prozent der variablen Fahrzeugkosten aus und damit auch zehn Prozent der Gesamtkosten. Wenn die Mautkosten nun im Schnitt um 70 Prozent angehoben werden, erhöhen sich die Transportkosten von 100 auf 107 Prozent. Hinzu kommen die steigenden Löhne für Fahrer und die steigenden Energiepreise.

Unterm Strich werden sich nach Angaben der Ampel-Regierung die Mauteinnahmen im kommenden Jahr von 7,8 Mrd. Euro auf 15 Mrd. Euro erhöhen. Das zusätzliche Geld soll in den Ausbau der Bahn fließen. Insgesamt hat die Regierung 45 Mrd. Euro für die Erweiterung der Schieneninfrastruktur zugesagt. Die Mauterhöhung soll hier einen beträchtlichen Teil beisteuern.

Die drastische Mauterhöhung betrifft nicht nur die Stahlindustrie, sondern praktisch jede Branche, von der Chemie- über die Lebensmittel- bis zur Konsumgüterindustrie. Die gesamte deutsche Transportbranche bangt um ihre Zukunft. „Es wird uns nicht leichter gemacht“, sagt Bernhard Seibold, Geschäftsführer bei Günther + Schramm. „Die momentane Situation in der Transportbranche ist schon jetzt schwierig genug und wir alle sind auf die Versorgung durch Lkw angewiesen.“ Die Öffentlichkeit müsse diese Versorgungsinfrastruktur verstehen und an die Politik appellieren, die Mauterhöhung zu überdenken.

#mauteverest

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e. V. (BGL) zeigt sich kämpferisch und hat im Netz die Kampagne „#mauteverest – so kommen wir nicht über den Berg“ organisiert. Diese soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gezielt auf die CO2-Abgabe richten und den Druck auf die Politik erhöhen, ohne sie zu vergraulen. Es sollen vielmehr „kritische und lösungsorientierte Positionen in einem positiven, zukunftsorientierten Erscheinungsbild“ kommuniziert werden.

Die Mauterhöhung sei keine Lösung für die Zukunft, sondern werde zum Inflationstreiber. „Wir sind bereit, über konkrete Lösungen zu sprechen, wollen dabei aber nicht über den ‚Maut Everest‘ geschickt werden.“

Weitreichende Konsequenzen

Von der finanziellen Doppelbelastung sind besonders kleine und mittlere Transportunternehmen betroffen, denn mehr als 80 Prozent der Betriebe haben weniger als 20 Mitarbeiter. Den Großteil der Transporte übernimmt also der Mittelstand, der aber nach den vielen Preiserhöhungen in den letzten Jahren kaum mehr weitere Preissteigerungen bei den Auftraggebern durchsetzen kann, weil diese selbst genug Probleme haben.

Marcel Hergarten kennt die Dramen nur zu gut, die sich in seiner Branche abspielen. „Der Vater zieht die Aufträge an Land, die Mutter macht die Buchhaltung, der Sohn arbeitet in der Werkstatt und wenn es sein muss, setzt sich der Chef noch selbst hinter das Lenkrad“, beschreibt Hergarten die typische Situation in einem kleinen Familienbetrieb. „Die kämpfen rund um die Uhr und haben keine Zeit, sich mit so einem Thema zu beschäftigen.“ Und ein finanzielles Polster sei in der Regel auch nicht gegeben.

„Die Mauterhöhung wird nochmal zu einer Flurbereinigung führen“, ist sich Hergarten sicher. „In den letzten Jahren haben bereits viele Speditionen aufgegeben, aber die Situation wird sich nochmals verschärfen, das muss man sich klarmachen.“ Speziell in seiner Branche, dem Stahltransport, gäbe es kaum noch Transportunternehmen. Wenn nun wegen der Mauterhöhung nochmals Kapazitäten aus dem Mittelstand verloren gingen, hätte der Stahlhandel ein großes Problem. „Da kann der Händler das schönste Material zum günstigsten Preis einkaufen, er würde es nicht zum Kunden bekommen, weil kein Fahrzeug da ist.“

Die Mauterhöhung ist mehr als ein weiteres Problem der Transportbranche und wird am Ende jeden Einzelnen betreffen. Denn der Konsumgüterhersteller und der Lebensmittellieferant werden die Mehrkosten ebenfalls weiterreichen und so wird die CO2-Abgabe am Ende auch im Supermarkt zu spüren sein. Der Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) kann dieses Phänomen konkretisieren. Hochrechnungen des Verbandes haben ergeben, dass eine vierköpfige Familie im Jahr bis zu 370 Euro Mehrkosten durch die Erhöhung der Maut hat. Eine Belastung mehr, die irgendwie gestemmt werden muss.

Die Idee ist gut, an der Umsetzung mangelt es noch

Hinter der CO2-Abgabe steckt natürlich eine gute Idee. Die Bundesregierung erhofft sich damit eine Lenkungswirkung hin zu Lkw mit alternativen Antrieben. Doch im Grunde gibt es die gar nicht. Im Moment sind nach Angaben des BGL 0,03 Prozent der auf den deutschen Straßen fahrenden Lkw elektrisch unterwegs. Bernhard Seibold kann das nur bestätigen: „Wenn man sich die Zulassungszahlen anschaut, dann sprechen wir von wenigen hundert Lkw in Deutschland, die mit alternativen Antrieben ausgerüstet sind.“ Die Hersteller seien gar nicht in der Lage, solche Fahrzeuge in großen Stückzahlen bereitzustellen.

Hinzu kommt, dass aktuell ein E-Lkw rund 3,5-mal so teuer ist wie ein Diesel-Lkw. Außerdem gibt es derzeit keinen einzigen Mega-Charger, mit dem ein Lkw während der Lenkzeitunterbrechung zumindest so weit aufgeladen werden kann, dass er seine nächste Be- und Entladestation erreicht. „Wenn die Politik nicht einmal genügend Parkplätze für Lkw zur Verfügung stellen kann, wie soll das dann mit der Ladeinfrastruktur funktionieren?“, bringt es Bernhard Seibold auf den Punkt.

Über Günther + Schramm:

Günther + Schramm ist Süddeutschlands führender Systemdienstleister für Stahl, Edelstahl und Aluminium. Das Unternehmen wurde 1895 gegründet und beschäftigt an den vier Standorten Oberkochen, Königsbronn, Stuttgart und Mannheim rund 180 Mitarbeiter. Der Stahlhändler und Systemdienstleister ist zum einen im klassischen Metallhandel tätig, zum anderen bietet das Unternehmen verschiedenste Dienstleistungen in der Lohnfertigung und realisiert komplexe Outsourcing-Projekte im Bereich der Material- und Prozesslogistik. Knapp 2.000 aktive Kunden aus dem Maschinen- und Werkzeugbau sowie der mechanischen Bearbeitung und Elektrotechnik versorgt Günther + Schramm mit Blank- und Walzstahl, Edelstahl, Qualitäts- und Werkzeugstahl, Guss, Aluminium, Sonderwerkstoffen u.a.

Günther + Schramm GmbH

Günther + Schramm GmbH

Heidenheimer Str. 65

73447 Oberkochen

Tel.: 0 73 64-24-110

Fax: 0 73 64-24-190

E-Mail: info@gs-stahl.de

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